Stillegeburt
In der Schwangerschaft & bei der Geburt ist Leben & Tot für mich gefühlt sehr nah beieinander. Ein neues Leben entsteht 🌱 Ob die Frucht auch lebendig ausgetragen wird, daß ist nicht sicher. Ich habe viele Schwangerschaften erleben dürfen & 3 Kinder lebend auf die Welt bringen können.
Am 1. April diesen Jahres hatte sich allerdings unsere Tochter vorzeitig verabschiedet. Es ist nicht das Erste mal gewesen, daß ich erlebt habe, wie es ist ein ungeborenes Kind zu verlieren, doch dieses mal wäre ich fast auch gestorben. Die Ärzte sagen es ist selten, daß eine Frau bei der Frühgeburt so viel Blut verliert, daß sie derart geschwächt ist bis hin zur Bewusstlosigkeit.
Zum Glück vertraute ich meiner Intuition & so bemerkte ich schon, daß unsere Tochter sich gerade in der Badewanne von mir verschiedet hat & es jetzt gerade erst mal nur darum geht mein Leben zu retten. Ich hatte keine Zeit um richtig Abschied zu nehmen & zu trauern. Kaum aus der Badewanne raus ging ich auch schon zu Boden & rief nur noch; „hey Siri, rufe Notruf“. Zuvor hatte ich ebenso mit Siris Hilfe meinen Mann verständigt. Diesen hatte ich Morgens gebeten sich um unseren Sohn zu kümmern, da ich dachte mit Entspannung & Ruhe wird alles wieder gut. Dann war ich bewusstlos & hörte plötzlich meinen Mann telefonieren, er kam ins Bad & reagierte direkt.
Der Rettungsdienst war nett & einfühlsam, auch im Krankenhaus waren alle sehr freundlich. Dennoch waren wir sehr beunruhigt, denn der Rettungsdienst entschuldigte sich noch bei mir, daß sie so zügig mit Blaulicht fahren, weil ich so viel Blut verloren habe & immer wieder nicht ansprechbar war, daß die Ursache nun schnell geklärt werden muss.
Doch im Krankenhaus hatte erstmal keiner Zeit für uns. Der Rettungsdienst blieb noch bei mir bis mein Mann eingetroffen war, damit ich zumindest nicht ganz alleine war. Inzwischen zitterte ich so sehr, daß meine Zähne klapperten & ich sagte zu meinem Mann, daß ich hier bald verblute, wenn keiner kommt. Als Leihe konnte er wahrscheinlich nicht sehen, daß ich schon sehr viel Blut verloren hatte. Vielleicht wollte er aber auch sich &/oder mich nur nicht noch mehr beunruhigen. Er meinte jedenfalls es sei nicht so viel. Ich aber merkte, daß mein Kreislauf immer weiter zusammenbrach & ich ganz dringend Hilfe brauchte.
Zum Glück kam nach über 1 Std. warten dann eine Ärztin, die eigentlich nur kurz nach mir sehen wollte. Da ich noch nicht am Tropf war wollte sie das dann auch noch kurz machen, da dies laut ihrer Aussage längst hätte passieren sollen. Dann sah sie das viele Blut & fragte ob das alles von jetzt sei?! Sie war schlagartig sichtlich beunruhigt & bemerkte, daß ich starke Kreislaufbeschwerden hatte anhand meiner verlangsamten Kommunikationsfähigkeit. Sie rief sofort per Telefon Hilfe & sagte sie habe hier ein Notfall.
Da ich immer wieder weggetreten war, bekam ich nicht mehr alles mit & so war für mich der Raum in der nächsten Sekunde voller ängstlich aufgeregten Menschen, die mich an panische Hühner erinnerten. Ich sagte meinem Mann, daß er besser mit unserem Sohn spazieren gehen soll bis sein Opa eingetroffen ist, da diese Atmosphäre nicht gut für unseren Sohn war. Alle waren sehr bemüht & freundlich, aber ich fand keinen Halt bei ihnen, da sie mir von Angst & Panik geleitet schienen. Also fing ich an zu beten.
Die Oberärztin wollte direkt ein Op buchen, aber es war keiner frei. Ich hörte nur wie sie sagte, daß die Patientin keine halbe Stunde mehr hat. Irgendwie bekam sie dann doch einen organisiert, nur konnten wir aus technischen Gründen erst nicht hinein, weil meine Krankenkarte noch nicht eingelesen wurde. Offiziell war ich noch kein Patient, also konnte ich auch für kein Op im Computer angemeldet werden. Irgendwer rannte dann durchs Krankenhaus um das nachzuholen & dann schloss ich die Augen & betete weiter. Die Gesichter voller Angst & der Op Raum beunruhigten mich etwas, sodaß ich im Gebet wieder nach Halt suchte.
Da die Vollnarkose schnell einsetzen musste bekam ich eine Sauerstoffmaske dafür. Ich war schon einmal in Vollnarkose, aber da war es sanft über einen Tropf. Dieses Mal war es sehr unangenehm, als ob man plötzlich keine Luft mehr bekommt & dann kommt ein Gefühl von Panik & ein heftiger Überlebenskampf, wenn auch nur sehr kurz. Ich schreckte instinktiv hoch & versuchte die Maske aus meinem Gesicht wegzureißen, da gab mir ein junger Mann seine Hand & sein Gesicht war plötzlich über mir & er sagte, daß es kurz unangenehm ist, aber ich jetzt schlafen kann, sie tun Ihr bestes & passen auf mich auf. Er wünschte mir eine gute Nacht & meinte, wir sehen uns gleich wieder. Seine Ausstrahlung war sanft, sehr emphatisch & sein Lächeln sowie seine Worte beruhigten mich. & schwups war ich auch schon weg.
Ich hatte einen seltsamen Traum bis ich plötzlich aufwachte & begriff, ich lebe noch. Im nächsten Moment überkam mich viel Traurigkeit, denn ich wusste, daß unsere Tochter nicht überlebt hat. Es war ein seltsames Gefühl, so viele gemischte Gefühle in mir. Mein Körper fühlte sich schwach an, mein Geist sehr erschöpft. Der Hals war trocken & Kratzte von der Narkose. Ich musste husten, was unangenehm schmerzhaft in den Unterbleib zog. Alles kam mir vor wie ein surrealer Traum, der aber leider Wirklichkeit war. Ich war sehr froh, noch am Leben zu sein. Doch ich war auch so unendlich traurig, daß unsere Tochter wieder gegangen ist. So gern wollte ich sie im Arm halten & ihre Stimme hören. An ihr riechen & ihr in die Augen schauen. Ihre Hand halten & sie aufwachsen sehen. Doch sie war längst fort.
Zuvor war meine größte Sorge meinen Mann allein zu lassen, ihn & unsere Kinder nicht mehr unterstützen zu können. Deshalb betete ich, daß ich noch bleiben durfte, um für sie da sein zu können. Vor dem Tod selbst habe ich schon lange keine Angst mehr, ich hatte mich vor langer Zeit sehr viel mit dem Tor beschäftigt. Dennoch bin ich sehr froh, daß es für mich noch nicht so weit war. Dennoch war es auch sehr schmerzhaft , daß es kein Happy End für uns alle war. Unsere Tochter hat uns durch ihren Tot wieder mehr Demut gebracht. Mir wurde wieder bewusst, daß es nicht selbstverständlich ist, daß wir mit 4 gesunden Kindern beschenkt wurden. Jedesmal wenn ich jetzt unsren Sohn ansehe, freue ich mich, daß er lebt & wir ihn aufwachsen sehen dürfen. Selbst wenn er schreit, freue ich mich ihn schreien zu hören, auch wenn ich lieber gern hätte, daß er immer glücklich & zufrieden ist. Aber nun freue ich mich einfach, daß ich ihn schreien hören kann, weil er lebt. Wir dürfen ihn auf seinem Weg begleiten & das ist ein großes Geschenk. Auch meine Nahtot Erfahrung ließ mich die Banalitäten des Lebens wieder stärker erkennen. Unsere Familie ist nach diesem Erlebnis noch stärker zusammen gerückt.
Nun beginnt für mich die Trauerzeit & die Phase der Regeneration. Im Alltag hatte ich bisher wenig Raum & Zeit für meine Trauer. & Nach so vielen Schwangerschaften während ich unseren Sohn noch stillte, hatte mein Körper auch wenig Entspannung & Erholung. Für uns war es das ganz klare Zeichen, daß ich mich nun erstmal um mich kümmern muss, bevor wir nochmal darüber nachdenken ein Kind zu uns zu rufen. Es war ein sehr prägendes Ereignis für mich, was wir alle erstmal verarbeiten müssen. Auch wenn ich gerne nochmal eine Schwangerschaft & Geburt erleben möchte & ich mich über weitere Kinder freuen würde, so spüre ich auch zeitgleich, daß zu diesem Zeitpunkt keine Entscheidung diesbezüglich dran ist. Wir werden also spüren, was die Zukunft bringt, wenn es so weit ist. Schließlich gibt es viele Möglichkeiten Kinder zu bekommen, wer weiß welche wir noch erfahren werden. Herzliche Grüße Vanessa 🫶🏽